Leseempfehlungen

Annie Ernaux: Der junge Mann

Ein schmales Bändchen - ein ungefilterter Blick. Die Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux und "der junge Mann".

Im vergangenen Jahr wurde Annie Ernaux mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Ihre Sprache und die Fähigkeit, ihr eigenes Leben als Grundlage zur Reflexion über die Gesellschaft im Allgemeinen zu nutzen, haben sie soweit gebracht und ihr einen Platz unter den Größten gesichert.

In ihrem Werk überträgt sie zuverlässig eigene Erfahrungen aus dem 20. Jahrhundert in die Köpfe des 21., verarbeitet dabei vor allem die Ungerechtigkeiten und Unterschiede zwischen diesen beiden manchmal so nahen, manchmal so weit voneinander entfernten Zeitaltern und macht uns vor allem Deutlich, was sich geändert hat. Und was nicht.

Mit „Der junge Mann“ legt sie nun ein schmales Buch vor, dass vielleicht ein wenig von ihren Schreibgewohnheiten abweicht. Nicht, dass die persönlichen Eindrücke dabei zu kurz kommen; es ist immer noch Ernaux‘ Leben, über das wir lesen. Was aber „fehlt“ ist das bei ihr sonst so starke Herausarbeiten von Allgemeinem aus dem Speziellen – der Prozess der Übertragung von eigenen Erkenntnissen in Lehren für alle, die ihre Texte lesen.

Vielleicht verleiht gerade das dem Text andererseits einen ganz eigenen Charakter und ermöglich allen, die ihn lesen, so einen weniger abgerundeten und somit weniger gefilterten Blick auf die Person Annie Ernaux. Genauer: Auf einen Abschnitt ihres Lebens, den sie offenbar selbst nicht auf die gleiche Weise zu interpretieren wagt wie andere Abschnitte und andere Menschen.

Sie erzählt von dem Verhältnis zu einem 30 Jahre jüngeren Mann, das sie in ihren 50ern geführt hat. Während das heute selbstverständlich noch immer nicht alltäglich ist, war es damals (vor etwa 30 Jahren) geradezu skandalös. Wie sie selbst schreibt, hätten selbst Homosexuelle damals noch bessere Chancen auf Akzeptanz gehabt als Frauen, die jüngere Liebhaber hatten.

Ob das so stimmt? Irrelevant. Dass sie diese sicherlich sehr prägende Zeit erst jetzt in diesem Buch verarbeitet, macht dieses zu etwas Besonderem. Auch, dass die sonst so prominenten Merkmale ihres literarischen Schaffens ein wenig schwächer ausgeprägt sind als sonst. Viele schöne Sätze zum Anstreichen (Birgit Schmid, NZZ) enthält es allemal.

Wer sich für Ernaux selbst genauso wie ihr Werk interessiert, wird es zu schätzen wissen und sollte die Sammlung damit auf jeden Fall abrunden.

Angaben

Annie Ernaux
Der Junge Mann
Suhrkamp / 48 Seiten
€ 15,50 (Gebunden)
ISBN 9783518431108
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