Belletristik

Paul Lynch: »Jenseits der See«

Mehr als ein Schiffbruchroman: Paul Lynch lässt uns mitten auf dem Meer stranden. Allein mit dem Elend und unseren Gedanken. Wunderbar.

Thalassophobie

»Jenseits der See« ist ein Buch für jene, die im Meer eine Drohung sehen. Ein Ort, an dem Sonne, Wasser und die Einsamkeit darin um die Wette eifern uns zuzusetzen. Und doch ist das Meer nur, was die kleine Bühne trägt, auf die der Booker-Preis-Träger Paul Lynch unseren Blick lenkt.

Bolivar ist Fischer an der mexikanischen Küste. Chronisch knapp bei Kasse, wie man sagt, doch ein Mann der Tat. Während die anderen Fischer vor dem angeblich aufkommenden Sturm an Land fliehen, fahren er und der junge Hector aufs Meer hinaus.

Sie wollen weit nach draußen, wo Bolivar die fischreichsten Plätze kennt. Doch der Sturm erreicht ihr Boot und bald kauert Hector betend in der Ecke, unfähig dem wasserschöpfenden Bolivar zur Hand zu gehen.

Als das Meer sich beruhigt, ist der Motor kaputt und das Funkgerät auch. Der Fischer und sein Helfer sind allein.

Hector mit Bolivar, der ihn in diese Situation brachte. Bolivar, der nicht einmal unter den widrigsten Umständen aufgibt und der Hectors Verzweiflung als eine beinahe ebenso große Bürde empfindet wie den Durst. Zwei Männer, die sich so lange sterbend aneinanderklammern, bis nicht einmal der lebensrettende Regen ihnen Hoffnung gibt. Bis einer der beiden die Hand nach dem anderen nicht einmal mehr hebt, um ihn zu schlagen.

Unnahbar

Lynch hat seine Figuren mit Tiefe ausgestattet, die wir zu keinem Zeitpunkt ernsthaft auszuloten in der Lage sind. Die beiden sind grundverschieden und doch teilen sie mehr als nur wenige Quadratmeter Boot im unendlich weiten Ozean: Ihre Selbstversunkenheit und ihre Unnahbarkeit.

Es sind in ihrem Kern glaubwürdige Figuren, die ihren tiefsitzenden Schmerz nur zögerlich und gegen den eigenen Willen erforschen.

Poesie und Albtraum

Dabei ist es nicht leicht zwischen dem, was Bolivar oder Hector sagen, und dem, was wir erzählt bekommen, zu unterscheiden. Lynch verzichtet auf Anführungszeichen, fügt das Gesagte nahtlos in das Gezeigte ein. Genau das spiegelt sich in seinen Figuren: Sie können die Grenzen zwischen Wirklichkeit und abscheulichen Halluzinationen bald kaum noch unterscheiden.

Doch weder wir noch die Figuren sind dadurch verwirrt, ist doch dieser Unterschied bald nicht mehr von Belang. Weil es sonst nur Sonne, Meer und Elend gibt, ist ihr Blick ohnehin stets nach Innen gekehrt.

Die Sprache des Autors passt zu diesem Dahintreiben auf dem Ozean und ist trüb wie die See an einem Regentag, mit Fragen, die wie das Brennen der Mittagssonne auf der Haut noch tagelang zu spüren sein können.

Fazit

Mit »Jenseits der See« ist Paul Lynch mehr gelungen als ein klassischer Schiffbruchroman. Seine nahtlos zwischen Wirklichkeit und Traum changierende Sprache, seine widerspenstigen Figuren: Sie machen das Buch zu einem erschütternden Gleichnis über die Zerbrechlichkeit menschlichen Lebens.


Angaben


Das Buch

Paul Lynch
Jenseits der See
Klett-Cotta / 192 Seiten
€ 22.70 (Gebunden)

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